Montag, 11. Oktober 2021

Don DeLillo: Null K


(Übersetzung: Frank Heibert)

„Jeder will das Ende der Welt in der Hand haben.“ (Seite 9)

Die Idee, Menschen heute in einen Kälteschlaf zu versetzen, um sie dann wiederzubeleben, wenn Krankheiten und der Tod medizinisch besiegt werden können, ist schon zigfach verfilmt worden. Hier also eine literarische Version dieser Grundidee:

Ein Milliardär investiert in eine Firma, die irgendwo, mitten im Nichts ein unterirdisches Objekt betreibt. Hier werden Todkranke auf ihrem Weg in den Kälteschlaf betreut und dann eingelagert. Es gibt aber auch Menschen, die noch gesunde Jahre vor sich haben und sich dennoch für eine vorzeitige Einlagerung entscheiden. Der Milliardär begleitet seine sterbenskranke Frau auf ihrem Weg – und lädt auch seinen Sohn aus einer früheren Ehe ein, die dem Tod Geweihte ein letztes Mal zu sehen. Jeffrey, der Sohn, ist der Erzähler der Geschichte.

Während der schwerreiche Vater nicht einsehen will, warum der Tod nicht dem eigenen Willen unterworfen sein sollte, empfindet Jeff diese Haltung als eine Verneinung des Lebens. Es mache das individuelle Leben aus, einen Weg zu finden, mit dem zurecht zu kommen, worein man geworfen sei.

Als wäre diese philosophische Debatte nicht schon genug, kommt noch das reichlich komplizierte Beziehungsgefüge zwischen Jeff und seinem Vater hinzu. Dessen Entschluss, vor seiner Zeit seiner zweiten Ehefrau in den Kälteschlaf zu folgen, zwingt Jeff zu einer Auseinandersetzung mit seinem eigenen Leben ebenso wie der mit der Rolle seines Vaters darin.

DeLillo schreibt keine leichte Lesekost. Doch die Übersetzung seiner Überlegungen in die Beschreibung des unterirdischen Komplexes zum Beispiel ist überaus präzise und kreiert eine angemessen bedrückende Atmosphäre. Die schier unidentifizierbaren Gänge, Videoinstallationen, die Kriege, Morde, Unterdrückung etc. scheinbar kommentarlos zeigen, damit aber eben auch eine manipulative Stimmung erzeugen, die in die Heilsvorstellung des Kälteschlafs als eskapistischer Ausweg vor einer dem Untergang geweihten Menschheit mündet. Doch was für eine Welt sollte nach dem Ende eines Kälteschlafs wohl noch da sein, wenn niemand mehr sie absichtsvoll gestaltet? Ist das Heilsversprechen des Kälteschlafs dann nicht doch eben nur eine Flucht vor der eigenen Endlichkeit?

Ob Jeff Antworten findet, will ich hier gern offenlassen. 😉

Kurz und gut: Eine passende Herbstlektüre so lange noch nicht alle Tage grau sind. Lesen! 😉

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