Sonntag, 10. Oktober 2021

Jonas Eika: Nach der Sonne


(Übersetzung: Ursel Allenstein)

„Ich erreichte Kopenhagen verschwitzt und halbwegs neben mir stehend nach einem äußerst fiktiven Flug.“ (Seite 7)

Bände mit Erzählungen gelten hierzulande ja gemeinhin als schwieriger zu verkaufen als Romane, die in epischer Breite erzählen. Ob es daran liegt, dass Käufer:innen das Gefühl haben, weniger Inhalt für ihr Buch zu bekommen, darüber habe ich noch nichts gelesen oder gehört. Allerdings stelle ich verschnupft fest, dass mein Buchkaufundleseverhalten in dieser Hinsicht wohl dem Mainstream entspricht.

Schon während ich diese fünf Erzählungen von Jonas Eika las, fragte ich mich, woran das wohl bei mir selbst liegen mag. Zunächst einmal liebe ich diese temporären Freund- oder Feindschaften zu handelnden Personen in den Büchern, die ich so lese. Zumeist haben sie ja auf Grund der Länge der Texte etwas Zeit zu wachsen, sich zu entwickeln, zu festigen oder erschüttert zu werden. Dass ich froh über das Ende der gemeinsamen Zeit bin, passiert mir in etwa so häufig wie ich es bedauere und hoffte, sie möge noch hundert Seiten länger andauern.

Mitunter ähnelt das Lesen von Romanen auch einer langen Zugfahrt, bei der man nicht einschlafen kann, immer wieder abschweift, gedanklich oder mit den Blicken aus dem Fenster, aber dennoch sitzt man ja im Abteil und nimmt auf, was um einen herum geschieht.

Auch wenn die berühmte erste Seite schon mitentscheidet, auf welchen Roman ich als nächste Lektüre Lust habe, führte sie noch nie dazu, dass ich das Buch zuklappte und gänzlich zur Seite legte. Zu groß ist dann doch jedes Mal die Neugierde auf die Welt, die sich noch in den nächsten Seiten verbirgt und auf die Menschen, denen ich da begegne. Ich kann gut damit leben, wenn eine Story etwas braucht, um sich zu entwickeln.

Handlung ist das, was mich meist bei einem Roman bei Laune und an der Stange hält. Vor Längen ist mir nicht unbedingt bange, vor allem, wenn die Vielzahl an Details dann doch eine Atmosphäre entwickelt, die mich erreicht und anspricht. Gleichzeitig gibt es „die ollen Großmeister“ wie Philip Roth, um einen willkürlich herauszugreifen, die auf einer Seite so komprimiert und komplex erzählen können, ohne auch nur ein Stück an Verständlichkeit einzubüßen. Das bewundere ich sehr.

Es ist also so, dass es eher verwunderlich ist, dass ich zu dem schmalen Erzählband von Jonas Eika gegriffen habe. Und nein, da gibt es nichts zu bereuen.

Ich verzichte mal auf Schilderungen und Zusammenfassungen des Inhaltes der fünf Erzählungen und beschränke mich auf Folgendes: Ich musste so unglaublich kichern, als der Erzähler der ersten Geschichte in Kopenhagen die Bank, für die er arbeitet, in einem Krater versunken wiederfindet. Und während er durch die Trümmer und zusammengesackten Stockwerke kraxelt, musste ich unentwegt an die Zusammenbrüche von Finanzinstituten denken, von denen viel zu viele dann doch einfach weiterarbeiten wie ehedem. Hier ein Banker hinter einem zusammengebrochenen Schreibtisch, dort eine Schreibkraft in einer Trümmernische …

Eikas Buch ist eine der kleinen Hoffnungen für mich, dass es mit mir und den Erzählungen ja vielleicht doch ab und an gutgehen kann. Und damit ich noch ein wenig darüber zur Kenntnis bringe, was in dem Band so zu erwarten ist, zitiere ich gern noch ein wenig Verlagstext, dem ich ausnahmsweise mal nichts hinzuzufügen das Gefühl habe:

„[…] Fünf sinnliche, geheimnisvolle Erzählungen über dunkles Begehren und kapitalistische Ausbeutung, über Liebe, Hoffnung und Solidarität in einer unsicheren, technologisch flirrenden Welt, in der Körper, Himmel und Licht die einzigen Konstanten sind.“ (Klappentext)

Kurz und gut: Wer das nicht liest, ist doof! So, lesen! 😉

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