Donnerstag, 26. Juli 2018

Ratih Kumala: Das Zigarettenmädchen



„Als Vater auf dem Sterbebett lag, murmelte er im Halbschlaf immer wieder einen Namen: Jeng Yah.“ (Seite 9)

Die drei Söhne wundern sich darüber, dass der Vater einen Frauennamen flüstert, der nicht der Name ihrer Mutter und der sich treusorgenden Ehefrau ist. Der Vater ist der Patriarch einer Familie, die mit Tabak und der Herstellung von Zigaretten reich geworden ist. Seine Söhne führen das Geschäft weiter, seit er ans Krankenbett gefesselt ist – bis auf den jüngsten, der versucht als Filmemacher seinen Weg zu gehen. Mehr schlecht als recht.

Also ist auch er es, der auf die Suche nach der geheimnisvollen Frau geschickt wird, die der Vater so unbedingt noch einmal sehen möchte. Die Suche führt Lebas von der beschaulichen Hauptstadt Indonesiens ins abgelegene Java und zugleich in die Geschichte des Familienbetriebs, der Zigarettenindustrie und Indonesiens.

Mit diesem Rahmen erzählt Ratih Kumala, eine junge indonesische Autorin, die Geschichte zweier Freunde, die als Tabakdreher begannen und sich unglücklicherweise in die gleiche Frau verliebten. Beide beginnen in einer Umbruchzeit ihre Tabakfirmen aufzubauen, die zunächst den nur den lokalen Markt bedienten und sich dann von Flecken zu Flecken weiter verbreiteten.

Natürlich ist hier nicht die Rede von Produktionshallen voller Maschinen und Produktionsstrecken. Hier wird von Hand sortiert, verkostet, gedreht, gestopft, verpackt, ausgeliefert. Die liebevolle Beschreibung und Darstellung ruft alle romantischen Vorstellungen von knisternd verglühenden Zigaretten, dem rauchigen Geschmack und dem Genuss wach, die wir als Zigarettenjunkies der westlichen Welt allenfalls noch aus der Werbung kennen. Vollkommen zurecht ist dem Text eine Warnung vor dem Rauchen vorangestellt. ;)

Die tragische Liebesgeschichte zieht sich ganz ohne Kitsch wie ein roter Faden durch die Geschichte. Die Zigarettenfirmen erfahren Hochs und Tiefs. Und die postkoloniale Geschichte Indonesiens, von der ich ehrlicherweise so gar keine Ahnung habe, bietet den Hintergrund dieser Familiengeschichten.

Lebas und seinen Brüdern gelingt es schließlich, die verworrenen Fäden der Lebensgeschichte ihrer Eltern zu entknoten. Als Erben müssen sie ihren Umgang mit den Handlungen ihrer Eltern finden und damit den Weg ihrer Generation beschreiten.

Ich will gar nicht zu viel von dieser mitreißenden und an Wendungen nicht mangelnden Geschichte verraten. Für mich ist Ratih Kumala eine echte Entdeckung. Sie schreibt schnörkellos, lässt den Figuren ihren Raum und vermeidet dabei jeglichen Kitsch. So macht es wirklich Spaß, literarisch die Welt zu erkunden.

Ein Dank gebührt dabei einem kleinen Indieverlag, diesen Roman und die Autorin auf deutsch zugänglich gemacht zu haben. Danke!

Kurz und gut: Zündet eine Zigarette an und genießt beim knisternd verbrennenden Tabak eine wunderbare Geschichte. Unbedingt auch für Nichtraucher*innen zu empfehlen! ;)

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