„Herbert Szevko steht nackt und gekrümmt da und schaut in ein
kleines rundes Aquarium hinein.“ (Seite 5)
Das Aquarium steht in Herberts Zimmer. Das liegt im oberen Stock
des Häuschens, welches er zusammen mit seiner Mutter bewohnt. Das Häuschen
steht hinter einer kleinen Tankstelle, die Herbert und seine Mutter gemeinsam
bewirtschaften. Die Tankstelle liegt an einer Landstraße. Und die kommt aus dem
Nichts und führt ins Nichts. Hinter den Hügeln in der einen Richtung liegt aber
zumindest eine Ortschaft mit einem Schwimmbad. Und das wird gleich noch
wichtig.
Frau Szevko, Herbert und Georg leben hier. Alle anderen fahren nur
vorbei und halten allenfalls kurz an. Georg bewohnt das runde Aquarium und
bekommt davon nicht so viel mit. Da sich an diesem Flecken Erde aber ohnehin
eigentlich nichts zuträgt, lässt sich nicht behaupten, dass Georg so sehr viel
verpassen würde.
Recht schnell wird aber klar, dass Frau Szevko und ihr Sohn
Herbert in dieser abgehängten Gegend am Rande vom Nichts noch am Rande wohnen.
Sie sind die komischen Käuze, die selbst das letzte Kaff braucht, um so etwas
wie Normalität und Zugehörigkeit zum Rest der Welt empfinden zu können.
Dann aber kommt ein einfach so ein blaues Klapprad daher geradelt
auf der Landstraße. Natürlich fährt es nicht von selbst sondern wird getreten
von Hilde. Und diese kleine rundliche, eher schon dralle Hilde ist auf dem Weg
in die Ortschaft mit dem Schwimmbad. Und zwar wird sie dort eine neue Stelle antreten,
als Putzfrau, im Schwimmbad. Das allein wäre fast schon aufregend, versetzt
aber unausweichlich dem Gang dieser Geschichte einen kräftigen Tritt, weil Herbert
quasi vom Schlag getroffen so ein ganz komisches und ungewohntes Gefühl
bekommt. Und weil Hilde findet, es mit Herbert gar nicht so schlecht treffen,
sind die beiden dann recht bald ein Paar.
Hilde zieht in das Häuschen hinter der Tankstelle an der
Landstraße, und Georg hat fortan etwas zum Anschauen. Ich meine jetzt nicht,
dass Hilde sich an ihren Herbert kuschelt unter der Decke. Sondern vielmehr die
Veränderungen, die in Herbert vorgehen oder eigentlich aus ihm herausbrechen.
Das Leben könnte plötzlich auch anders sein, als es vor Hilde war. Herbert hat
etwas gefunden, das ihm wichtig ist, auch wenn er kaum Worte dafür findet.
Dafür beginnt er selbst seiner Mutter gegenüber einen eigenen Kopf zu
entwickeln. Und die, also Frau Szevko, mag diese Hilde gar nicht, die sich hier
ins gemachte Nest setzen will. Das wenigstens meint die Frau Szevko.
Außerdem gibt es noch den Bürgermeister, der die Tankstelle
endlich weghaben will, weil er wichtigere Interessen verfolgt. Und einen
Dorfrüpel gibt es auch noch, der die Hilde angrabbscht. Das alles, und dass
Frau Szevko nach dramatischen Entwicklungen ins Krankenhaus muss, sorgt dafür,
dass nur noch eines bleibt, die Flucht in einem Krankenwagen. Und die
Tankstelle brennt ab.
Seethalers große, wirklich große Kunst ist es, dass man gar nicht
hinterher kommt mit den eigenen Gefühlen beim Lesen. Herbert, Hilde, Frau
Szevko – die sind liebenswert, beschränkt, naiv, liebevoll, impulsgesteuert,
eifersüchtig, bodenständig … Egal, ob ich den dreien gerade am liebsten eine
runtergehauen hätte, um sie zu Besinnung zu bringen, oder ob ich sie in den Arm
nehmen wollte, um ihnen zu versichern, dass ganz sicher alles auch für sie gut
werden wird – diese Charaktere sind herzergreifend gezeichnet. Nur ein Stein
könnte da, im Guten wie im Bösen, kein Mitgefühl empfinden.
Und das genau ist wohl eines, dass Bücher wie dieses lehren
können. Egal wie klein und einfach Leute erscheinen mögen, wie sehr abgehängt
sie scheinen mögen – sie leben und lieben und hoffen wie alle anderen auch.
Eine Gesellschaft, in der das Mitgefühl unter den Menschen verloren geht, die
hängt sich selbst ab.
Wofür ich Seethaler wirklich bewundere sind Sätze wie dieser: „Wo
nämlich die Normalität beleidigt ist, kann die Pädagogik einpacken.“ (Seite 5)
Auch wenn der Gedanke etwas aus dem Zusammenhang gerissen erscheinen mag, ich
finde das großartig. Und immer wieder taucht unvermittelt genau so ein Satz
auf, bei dem Seethaler.
Kurz und gut: Diese Geschichte packt sich das Herz und lässt bis
zur letzten Zeile nicht mehr los. Und das ohne auch nur den Anflug von Kitsch.
Lest Robert Seethaler! Alle! Jetzt!
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