Sonntag, 15. Dezember 2024

David Christian: Big History. Die Geschichte der Welt – vom Urknall bis zur Zukunft der Menschheit


„Das Projekt einer modernen Ursprungsgeschichte liegt in der Luft.“ (Seite 9)

Und weiter geht es mit meiner kleinen ungeplanten Reise durch die Geschichte. Und Geschichte meint spätestens jetzt nicht mehr nur die Zeit, in der Menschen anfingen zu notieren, was so passiert. In diesem Band geht es einfach mal gleich um die Geschichte der Erde.

Big History, so schreibt es der Verlag im Buch, ist eine Richtung, die die Geschichte der Menschheit mit den Naturwissenschaften aussöhnen will. David Christian ist demnach einer der Begründer dieser historischen Schule und leitet das Big History Project, das von Bill Gates finanziert wird. Und das schreibe ich hier nicht mit rein, damit alle Aluhüte und Verschwörungsfreunde sich die Hände reiben können. Das ist banale Transparenz. 😊

Nach dem Band „Der Stoff, aus dem wir sind“ von Fabian Scheidler ist das nun das zweite Buch innerhalb kürzerer Lesezeit, in der ganz schön viel Naturwissenschaft eine Rolle spielt. Vieles davon hab ich zur Kenntnis genommen, auch wenn mir da sicher Zusammenhänge fehlen. Trotzdem fand ich diesen Teil des Buches eingängig und verständlich genug geschrieben.

Es ist der Teil, in dem unser Universum sich bildet, Sterne und Monde entstehen und der berühmte Urknall dafür sorgt, dass viele Milliarden Jahre später wir Menschen einen Planeten bewohnen, den zu zerstören wir uns anschicken.

Christian bestimmt acht Schwellenmomente in dieser wirklich langen Geschichte, die unumkehrbare Veränderungen hervorbrachten oder zumindest solche, die Entwicklungspfade ermöglicht, begünstigt oder hervorbrachten. Das große Stichwort ist Komplexität, die bei zunehmender Ausdifferenzierung von Stoffen, Teilchen etc. überhaupt erst so etwas wie Leben ermöglichten.

Das Auftauchen von Leben in seiner einfachsten Form ist in dieser Zählung schon Schwellenmoment 5. Es musste also schon ziemlich viel passieren, bevor Leben möglich werden konnte.

Zwischen den späteren Schwellenmomente wurden die Abstände immer kürzer. Während es zunächst Milliarden und Millionen von Jahren brauchte, bis die richtigen Momente, Mischungen und Ereignisse zusammenkamen, setzt mit der Entstehung des Lebens eine Dynamik ein, die sich eben nicht mehr nur anhand kosmischer Vorgänge vollzieht, sondern nachgerade eine Eigendynamik und schließlich ein Eigenleben entwickelt.

Die sechste Stufe ruft die Menschheit auf den Plan. Und weiter verkürzen sich die Abstände zwischen den Schwellen in dem Maße, wie die Menschen beginnen aktiv ihre Umgebung zu beeinflussen (Landwirtschaft) bis hin zu dem Moment, da das Wirken der Menschheit zum maßgeblichen Entwicklungsgeber der gesamten Welt geworden ist (Anthropozän). Wir haben uns die Erde buchstäblich untertan gemacht – oder sie als Geisel genommen.

So wie zeitgebundene Machtauseinandersetzungen schon an Bedeutung und Relevanz verlieren, je mehr der Menschheitsgeschichte man in den Blick nimmt. So verstärkt sich dieser Eindruck noch bei der Perspektive, die hier als Big History angeboten wird. Als nicht religiös geprägtem Menschen fällt es mir leicht, diese Art Schöpfungsgeschichte anzunehmen und für wahrscheinlich zu halten. Ich kann nur erahnen, wie schwer sich andere womöglich damit tun, dass in all diesen Vorgängen keine göttliche Hand walten soll.

Jetzt ist dieser Ansatz aber nicht nur dazu da, sich immer mehr Geschichten darüber zu erzählen, was wie gekommen ist, sondern zielt natürlich auch darauf ab, Schlussfolgerungen für das Morgen zu ziehen. Und man muss kein „Öko“ sein, um zu verstehen, welche große Verantwortung auf der Menschheit heute lastet. Einerseits waren es unsere Vorfahren, die mit dem Folgen bestimmter und dem Nichtfolgen anderer Entwicklungspfade dafür sorgten, dass wir eine irgendwie fast schon parasitäre Lebensform wurden. Andererseits zeigt dieser große Blick aber eben auch, dass es immer mehr als eine Möglichkeit zur Entwicklung gibt. Da sind hinreichend viele Gründe, uns nicht von der Frage, wer das alles bezahlen soll, vom Denken in Alternativen abbringen zu lassen. Wenn wir die Erde so zurichten konnten, können wir Dinge auch anders machen.

Monetarisierung von allem und jedem ist kein Naturgesetz. Die Einteilung der Menschheit in Arm und Reich ist kein Naturgesetz. Die Art, wie wir als Menschen miteinander leben wollen und uns dabei als Teil der Natur verstehen oder nicht – das sind Dinge, die wir offensichtlich in der Hand haben. Das zeigen allein die letzten paar Tausend Jahre Menschheitsgeschichte.

Ich bin begeistert davon, dass diese Art auf die Entwicklung von Erde und Menschheit zu blicken über so viel fundiertes und weiter wachsendes Wissen verfügt. Wir müssen es nur zur Kenntnis und als Anlass zum Handeln nehmen wollen.

Kurz und gut: Inspirierend und ermutigend. Lesen, unbedingt!

(Übersetzung: Hainer Kober)

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