Dienstag, 17. Dezember 2024

Marie Darrieussecq: Das Meer von unten

 

„Sie zögerte.
Am Fuß der Treppe schwankte ein Haufen betrunkener Rentner. Sie stellte sich ihren kleinen Körper vor, wie er aufrecht im hohlen Bauch des Schiffes stand, und darunter das unermessliche, gleichgültige Meer. Die Passagiere der Titanic hatten ja auch eine gewisse Zeit gebraucht, um die Zeichen zu deuten. Diese Reise war zu Weihnachten im Sonderangebot gewesen. Vielleicht, weil eines der Kreuzfahrtschiffe ein paar Jahre zuvor gesunken war. Zweiunddreißig Tote. Auch eine Kreuzfahrt barg Risiken.“ (Umschlagtext)

Bei Kreuzfahrten habe ich ja sofort das „Traumschiff“ meiner Kindheit vor Augen und bin ein bisschen angewidert ob der kitschigen Melodie, die sich auch gleich noch dazu in die Ohren schleicht.

Aber wenn plötzlich das Thema Migration in die Urlaubsidylle platzt, dann werde ich neugierig, wie das erzählt wird und wie die Geschichte weitergeht. Spannend ist es natürlich, wenn eigentlich nur ereignislose Erholung vor kitschiger Kulisse geplant war, aber dann plötzlich nach der harten Konfrontation mit der europäischen Grenzrealität im Mittelmehr ein ungeplanter Intensivkurs in Sachen Menschlichkeit und Empathie auf die Tagesordnung drängt.

Ich bin gespannt. 😊

„Strahlende Sonne, blauer Himmel: das Mittelmeer an Weihnachten, vom Deck eines Kreuzfahrtschiffes aus gesehen. An Bord die Psychologin Rose mit ihren beiden halbwüchsigen Kindern, sie soll sich eine Auszeit gönnen, denn es kostet Kraft, Familie und Beruf zu vereinbaren, und dann steht noch ein Umzug bevor, aus dem hektischen Paris ins beschauliche Clèves.

Mit der Erholung ist es vorbei, als ein Seelenfänger kentert und das luxuriöse Passagierschiff die Überlebenden aufnimmt, nur kurz, bis die Küstenwache eintrifft. Zeit genug für Rose, sich auf das Drama einzulassen und unwillkürlich Verantwortung zu übernehmen, wenigstens für einen der Flüchtlinge, für den jungen Younès, und sei es nur, weil er sie an ihren Sohn erinnert.

Durch ihre spontane Hilfsbereitschaft stellt Rose das Leben ihrer ganzen Familie auf den Kopf. Und sie lernt ihre Heimat aus einem ganz neuen Blickwinkel kennen, erkundet den Dschungel von Calais und sondiert Herzen, das eigene und das ihrer Mitmenschen.

Ein ungeheuer kluger, bewegender und zeitloser Roman über unsere Gegenwart in ihrer ganzen Komplexität, über die Schwierigkeiten und Schönheiten einer Begegnung mit dem Fremden, vor allem eine literarisch berückende Schule der Empathie, aus der Feder einer der bedeutendsten Schriftstellerinnen Frankreichs.“ (Klappentext)

(Übersetzung: Patricia Klobusiczky)

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