Freitag, 16. Dezember 2022

Juliane Stückrad: Die Unmutigen, die Mutigen. Feldforschung in der Mitte Deutschlands


„Die Ethnologin Juliane Stückrad erforscht seit 20 Jahren das Leben in der Provinz. Sie wagt sich auf Demonstrationen, besucht Gottesdienste, sitzt mit Dorfbewohnern am Tresen. Neugierig und teilnehmend schenkt sie Menschen Gehör, die oft von Wut und Unmut beherrscht werden. Und die dennoch nie den Mut verlieren. Ihr bahnbrechendes Buch lässt den tiefgreifenden Wandel ganzer Regionen verstehen und ist selbst eine Ermutigung.“ (Umschlagtext)

Ach dieses Ostdeutschland – es lässt mich zumindest dann doch einfach nicht los. Ich hab noch nicht herausgefunden, ob es einfach ein fachliches Interesse ist oder eben doch aus einem vielleicht auch diffusen Heimatgefühl resultiert. Zumindest sicher kann ich sagen, dass ich auch mit diesem Fundstück in der Hand im Buchladen gleich sicher war, dass ich neugierig auf den Text bin. 😉

„Auf einer Reise durch Peru wird der jungen Ethnologin Juliane Stückrad klar, dass sie nicht die Rituale indigener Gesellschaften erforschen will. Ihr wahres Interesse gilt ihrer ostdeutschen Heimat, dem Leben am Rand und nicht zuletzt der eigenen Herkunft. Als teilnehmende Beobachterin erforscht sie von nun an die Lebens- und Arbeitswelt und den Wandel in vielen strapazierten Regionen. Sie geht auf Demonstrationen, besucht Familienfeiern und Gemeindefeste. Sie studiert Grabsteine, Autoaufkleber und Plakate. Ihr Buch präsentiert ungehörte und überhörte Geschichten, die gleichermaßen vom Mut wie vom Unmut künden. Geschichten, die Zugang zur Vielfalt ostdeutscher Lebenswelten bieten und Heimat als Veränderung, Erinnerung und Selbstbehauptung beschreiben.“ (Klappentext)

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Montag, 12. Dezember 2022

John O'Connell: Bowies Bücher. Literatur, die sein Leben veränderte


„Drei Jahre vor seinem Tod erstellte David Bowie eine Liste mit einhundert Büchern, die sein Leben verändert haben – es ist eine Liste, aber zugleich eine besondere Autobiografie.“ (Umschlagtext)

Ich liebe es wirklich innig, wenn gute Freunde mir Bücher schenken, auf die ich selbst nicht unbedingt gestoßen wäre. 😉 Mit Bowies Musik im Ohr darf ich mich also auf das Stöbern in dessen Bücherschrank freuen.

„David Bowie hat Literatur geliebt. Er hat immer und überall gelesen, über Bücher gesprochen und sie sogar rezensiert. Unter den einhundert Werken, die ihm am wichtigsten waren, sind ‚Madame Bovary‘, ‚Clockwork Orange‘, ‚Flauberts Papagei‘ und ‚Nachdenken über Christa T.‘. Manche gehören zum klassischen europäischen Kanon, andere sind nur Eingeweihten bekannt – sie alle haben ihn inspiriert und zu dem gemacht, der er war.

John O’Connell stellt diese Bücher in hundert kurzen Essays vor; jeder von ihnen wirft einen neuen Blick auf den Menschen und Künstler David Bowie, auf seine Arbeit und die Zeit, in der er lebte. ‚Bowies Bücher‘ ist so nicht nur eine ungewöhnliche Liste mit Büchern, die sich zu entdecken lohnen, sondern auch eine unterhaltsame Art, einen der größten Künstler der vergangenen Jahrzehnte neu kennenzulernen.“ (Verlagstext)

(Übersetzung: Tino Hanekamp / Illustrationen: Luis Paadín)

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Sonntag, 4. Dezember 2022

Min Jin Lee: Ein einfaches Leben


„Sunja und ihre Söhne leben als koreanische Einwanderer in Japan wie Menschen zweiter Klasse. Während sie versucht, sich abzufinden, fordern Noa und Mozasu ihr Schicksal heraus. Der eine schafft es an die besten Universitäten, den anderen zieht es in die Spielhallen der kriminellen Unterwelt der Yakuza.

Ein opulentes Familienepos über Liebe, Loyalität und die Suche nach der eigenen Identität – zeitlos und universell.“ (Umschlagtext)

Jaja, das steht wieder sowas wie Familienepos, zeitlos und es ist ein dickes Buch. Ehrlich – ich schaue schon trotzdem auf die Inhaltsangabe. Auch wenn der MM jetzt wieder lachen wird. Pffff, also wirklich. 😉

„Zwanzig Jahre Arbeit stecken in diesem großen, umwerfenden Buch, das in über zwanzig Ländern erschienen ist.
Sunja, Tochter eines Fischers, wird genau im falschen Moment schwach, bei genau dem falschen Mann. Um ihrer Familie keine Schande zu machen, verlässt sie Korea und bringt ihre Söhne Noa und Mozasu fernab der Heimat in Japan zur Welt. Koreanische Einwanderer, selbst in zweiter Generation, leben dort als Menschen zweiter Klasse. Während Sunja sich abzufinden versucht, fordern ihre Söhne das Schicksal heraus. Noa studiert an den besten Universitäten, Mozasu zieht es in die Pachinko-Spielhallen der kriminellen Unterwelt der Yakuza.
Ein opulentes Familienepos, mit leichter Hand erzählt. Zeitlos und universell.“ (Verlagstext)

(Übersetzung: Susanne Höbel)

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Freitag, 2. Dezember 2022

Mark Terkessidis: Wessen Erinnerung zählt? Koloniale Vergangenheit und Rassismus heute


„Wessen Erinnerung zählt?

Über Deutschlands koloniale Geschichte wird heftig debattiert. Es geht um Straßennamen aus der Kolonialzeit, um die Bestände von Museen und die Frage nach dem kulturellen Erbe insgesamt. Im Mittelpunkt stehen ehemalige Kolonien in Afrika wie Kamerun oder Namibia. Doch auch polnischsprachige Gebiete waren 150 Jahre lang von Preußen und dem Deutschen Reich besetzt. Ebenso richtete sich der deutsche Imperialismus auf Südosteuropa und das Osmanische Reich. Mark Terkessidis, renommierter Migrations- und Rassismusforscher, erzählt die ganze Geschichte des deutschen Expansionsstrebens. Nur so werden die Position Deutschlands in der Welt sowie aktuelle Migrations- und Fluchtbewegungen verständlich. In einer globalisierten Gesellschaft muss sich der Raum der Erinnerung erweitern.“ (Umschlagtext)

Die USA, Briten, Franzosen, Spanier und Portugiesen – klar, die hatten alle etwas mit Kolonialismus zu tun. Die koloniale Vergangenheit Deutschlands dagegen tauchte in meiner Erinnerung im Geschichtsunterricht zum Beispiel zu sehr kurz als Thema auf. Auch später war das eigentlich kein Thema, dass mir großartig aufgefallen wäre.

Mit den verstärkten Debatten um Rassismus auch in unserer Gesellschaft wird nun deutscher Kolonialismus für mehr Menschen sichtbar und Teil der Diskussion. Ich finde das gut, richtig und freue mich darauf, hier hoffentlich noch einiges Neues kennenzulernen.

„Als das Deutsche Reich am 28. Juni 1919 den Vertrag von Versailles unterzeichnete, gingen die überseeischen Kolonien an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs über. Lange vergessen, kehrt die Kolonialperiode in Ländern wie Namibia, Kamerun oder Ruanda in den letzten Jahren in die Erinnerung zurück. Was bedeutet dieses Wiederauftauchen für die Bundesrepublik? Müsste in der ‚postkolonialen‘ Sichtweite nicht auch das deutsche Eroberungsstreben in Richtung Osten eine Rolle spielen? Die neue Erinnerungskultur hat gravierende Auswirkungen für das Selbstverständnis eines Landes, dessen Bevölkerung immer diverser wird. Mark Terkessidis macht mit seinem Blick in die Vergangenheit aktuelle Debatten nachvollziehbar und zeigt, welche Fragen sich ergeben, wenn auch die Erinnerung jener zählt, die eingewandert und damit Teil der Gesellschaft geworden sind.“ (Verlagstext)

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Dienstag, 29. November 2022

Tillie Walden: Auf einem Sonnenstrahl


„MIA ist das neueste Mitglied an Bord eines Raumschiffs, dessen Mannschaft zerfallene Weltraumarchitektur restauriert. Die Besatzung wird für Mia schnell zu einer zweiten Familie, doch die Erinnerungen an ihre Zeit im Internat, als sie sich in die geheimnisvolle Schülerin Grace verliebte, lassen sie nicht los. Zusammen macht die Crew sich auf zu einer gefährlichen Reise ans Ende der Galaxie …

Die preisgekrönte Comicautorin TILLIE WALDEN erzählt eine queere Coming-of-Age-Story über Freundschaft und die Suche nach einer verschollenen Liebe.“ (Umschlagtext)

Ich finde ja, auch Comics dürfen mal so richtig dick sein. 😉 Die Story klingt in jedem Fall vielversprechend und die Zeichnungen, in ihrem recht klaren Stil nicht minder. Ich freue mich auf das Schmökern dieses weiteren Mitbringsels von „Kleine Verlage am großen Wannsee“.

„EIN riesiger Fels. Ein Fels, so groß, dass er eine ganze Welt ist. Doch der Ort ist vergiftet. Kein Leben gedeiht hier. Ewige Stürme, Sternenschauer und endloser Wind. Niemand verlässt diesen Ort. Niemand soll ihn verlassen … Aber es gibt Leute, die aufpassen, dass nicht doch jemand entwischt.“ (Klappentext)

(Übersetzung: Barbara König)

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Sonntag, 27. November 2022

Stefanie vor Schulte: Junge mit schwarzem Hahn


„Als der Maler kommt, um ein Altarbild für die Kirche zu fertigen, weiß Martin, dass er am Ende des Winters mit ihm fortgehen wird.“ (Seite 5)

Diese Geschichte des Waisenjungen Martin bedient sich märchenhafter Elemente. Zum Märchen macht das diesen Text nicht unbedingt. Und Kindern würde ich ihn auch nicht vorlesen. Erwachsenen dagegen empfehle ich ihn unbedingt.

Martin verlor seine Familie früh auf tragische Weise und lebt seitdem allein in einer Hütte abseits des Dorfes. Niemand kümmert sich um ihn. Seinen Lebensunterhalt verdient sich der vielleicht Zehn- oder Elfjährige durch kleine Hilfsarbeiten. Mit seiner ruhigen, besonnenen Art ist er ein guter Beobachter, der in aller kindlichen Unschuld eine Klugheit ausstrahlt, die den tumben Dorfbewohnern Angst macht. Suspekt ist diesen nicht weniger, dass ein schwarzer Hahn den Jungen stets begleitet. Entweder sitzt auf Martins Schulter oder unterm Hemd. Der Hahn ist sein bester Freund und alles, was ihm geblieben ist.

Der Maler durchbricht mit seiner Anwesenheit die wenig idyllische Eintönigkeit der Tage und setzt damit eine Reihe von Ereignissen in Gang, die Martin aus dem Dorf fortführen. Die eher mittelalterliche Welt, in die der Junge nun gerät, ist von Krieg verwüstet, von Hunger geplagt und menschlicher Niedertracht und Gewalt ausgeliefert.

Der Junge mit den ruhigen Augen und dem reinen Herzen musste erleben, wie einer Mutter aus seinem Dorf die Tochter von einem schwarzen Reiter geraubt wurde. Dass er mit dem Maler zusammen das Dorf verlässt, ist nicht nur ein Aufbruch in eine mögliche Zukunft. Er gibt sich selbst das Versprechen, die geraubte Tochter wie alle anderen geraubten Kinder zu finden und zu befreien.

Dieser Debutroman von Stefanie vor Schulte hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Sie erzählt schnörkellos, macht wenig erzählerisches Tamtam. Dabei kennzeichnet sie ihre Figuren mit vielen kleinen Beschreibungen, die genau treffen. Die Gräuel in dieser Welt, durch die sich Martin schlagen muss, sind ebenso klar, bitter und keine leichte Kost.

Gerade überlege ich noch, warum mir die Verbindung zum Märchen hier so nahe lag. Da ist natürlich diese mittelalterliche, einfache Welt der Bauern und Fürsten und Reiter. Die kindlich-jugendliche Unschuld stellt sich gegen den Wahnsinn und die Gewalt der Erwachsenen. Einen Schuss Magie gibt es natürlich auch noch. Ein paar wenige Figuren stechen hervor in dieser Geschichte, alle anderen tragen zu der bedrückenden Atmosphäre bei. Aber, die Autorin weidet das erzählerisch nicht aus und bleibt ihrem Erzählton treu.

Kurz und gut: Dieser Debutroman ist für mich eine echte Entdeckung. Lesen!

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Samstag, 26. November 2022

Patricia B. McConnell: Das andere Ende der Leine. Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt



 „Dieses Buch wirft eine revolutionäre Perspektive auf unseren Umgang mit Hunden: Es beleuchtet nicht nur deren, sondern in erster Linie unser Verhalten! Als Doktorin der Zoologie und Expertin für Hundeverhalten betrachtet McConnell uns Menschen augenzwinkernd wie eine interessante Spezies von Säugetieren. Fundiert, aber höchst unterhaltsam beschreibt sie, wie wir uns gegenüber Hunden benehmen, wie diese unser Verhalten deuten und wie wir mit ihnen umgehen sollten, um das Zusammenleben für beide harmonisch zu gestalten.

Beginnen Sie, unser Verhalten aus der Perspektive von Hunden zu betrachten und Sie werden verstehen, warum vieles, das für uns wie Ungehorsam aussieht, einfach ein großes Missverständnis ist: Denn wir sind Primaten, die Hunde Caniden – und sprechen folglich andere Sprachen. Die gute Nachricht ist: Die Verständigung lässt sich bestens optimieren! Dieses mitreißende und vergnügliche Buch voller Aha-Effekte zeigt Ihnen, wie das geht.“ (Umschlagtext)

Heute gibt’s mal was ganz Anderes. Ich habe es ja sonst nicht so mit Ratgebern. Nach gut dreieinhalb Jahren mit unserer Hundine hat mich die Empfehlung dieses Buches aber neugierig gemacht. Wie Hundine Taira das findet – nun ja, der Blick spricht auch Bände. 😉

(Übersetzung: Gisela Rau)

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Montag, 21. November 2022

Ernesto Sabato: Der Tunnel


„Der gefeierte Maler Juan Pablo Castel ist ein Mörder. Im Gefängnis legt er schonungslos dar, wie ihm seine Leidenschaft für die mit einem Blinden verheiratete Maria zum Verhängnis wurde. […]“ (Umschlagtext)

Der Text wurde in den späten Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts erstmalig veröffentlicht. Literarisch schreit das ja förmlich nach Existentialismus. Ich will mich gern auf diesen Roman einlassen und Ernesto Sabato entdecken. 😉

(Übersetzung: Helga Castellanos)

„‚Der Tunnel‘ ist ‚der‘ existentialistische Roman nicht nur der argentinischen, sondern der gesamten lateinamerikanischen Literatur – Vergleiche mit den großen Werken eines Jean-Paul Sartre, Albert Camus oder auch Max Frisch sind durchaus angebracht.

Der gefeierte Maler Juan Pablo Castel ist ein Mörder. Im Gefängnis legt er schonungslos dar, wie ihm seine Leidenschaft für die mit einem Blinden verheiratete María zum Verhängnis wurde.“ (Verlagstext)

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Sonntag, 20. November 2022

Carolin Amlinger/ Oliver Nachtwey: Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus


„Der libertär-autoritäre Protest richtet sich gegen die spätmoderne Gesellschaft, rebelliert aber im Namen ihrer zentralen Werte: Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung.“ (Umschlagtext)

Es ist doch verrückt, wie die letzten drei Jahre Haltungen, die zuvor eher unsichtbar unter der Oberfläche geruht zu haben scheinen, hervorbrachten, verstärkten und verbreiteten. In dieser irgendwie nebulösen Debattenwolke aus Coronaleugnung, Trumpismus, Reichsbürgertum, Putintreue, alternativen Fakten, Fake News usw. wabert unser aller Unbehagen und manifestiert sich immer mehr nicht nur in Dokumentationen über komische Leute mit unverständlichen Haltungen irgendwo, sondern sickert in Gespräche im Hier und Heute und manchmal mit Menschen, die man mag und doch eigentlich zu kennen glaubte. Und plötzlich ist das gesellschaftliche Unbehagen ganz nah.

Ich bin sehr gespannt auf dieses Buch und hoffe auf ein paar analytische Planken fürs Verstehen der Gegenwart.

„Coronakritiker mit Blumenketten, Künstler, die naturwissenschaftliche Erkenntnisse infrage stellen, Journalisten, die sich als Rebellen gegen angebliche Sprechverbote inszenieren: Der libertäre Autoritäre hat Einzug gehalten in den politischen Diskurs. Er sehnt sich nicht nach einer verklärten Vergangenheit oder der starken Hand des Staates, sondern streitet lautstark für individuelle Freiheiten. Etwa frei zu sein von Rücksichtnahme, von gesellschaftlichen Zwängen – und frei von gesellschaftlicher Solidarität. Der libertäre Autoritarismus, so Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey, ist eine Folge der Freiheitsversprechen der Spätmoderne: Mündig soll er sein, der Einzelne, dazu noch authentisch und hochgradig eigenverantwortlich. Gleichzeitig erlebt er sich als zunehmend macht- und einflusslos gegenüber einer komplexer werdenden Welt. Das wird als Kränkung erfahren und äußert sich in Ressentiment und Demokratiefeindlichkeit.
Auf der Grundlage zahlreicher Fallstudien verleihen Amlinger und Nachtwey dieser Sozialfigur Kontur. Sie erläutern die sozialen Gründe, die zu einem Wandel des autoritären Charakters führten, wie ihn noch die kritische Theorie dachte. Die Spätmoderne bringt einen Protesttypus hervor, dessen Ruf nach individueller Souveränität eine Bedrohung ist für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen: Er leugnet gegenseitige Abhängigkeiten und eine geteilte Realität.“ (Klappentext)


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Dienstag, 8. November 2022

Viktor Jerofejew: Der gute Stalin


„Aufgewachsen in nächster Nähe zur Macht, erlebte Viktor Jerofejew die letzten Jahre Stalins, zu dessen Hofstaat sein Vater gehörte. Aus dieser Perspektive erzählt Jerofejew in seinem mitreißenden autobiografischen Roman die Weltgeschichte des Kalten Kriegs aus einer ganz ungewöhnlichen Perspektive. Zwischen der glücklichen Kindheit in einem goldenen Käfig und der Aufmüpfigkeit des werdenden Dissidenten erzählt Jerofejew provozierend ehrlich von seiner Geburt als Schriftsteller, aber auch vom Fall seines Vaters, den er zu verschulden hatte, und liefert eine liebevoll-kritische Hommage an einen Homo sowjeticus.“ (Umschlagtext)

Geschichte werden wir nicht einfach los – egal, was im Hier und Heute sich an Gegenwart ereignet - aller Brüche, Kehrtwenden und Aktenlücken und was auch immer zum Trotz. Darum bleibt Erinnerung lebenswichtig, auch in Form von literarischen Texten.

(Übersetzung: Beate Rausch)

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Montag, 31. Oktober 2022

Tonio Schachinger: Nicht wie ihr


„Als Ivo jung war, gab es nur einen Ort: ihn selbst. Alles andere, der Fußball, Brügge, Madrid, Hamburg, die Clubs, Autos und Restaurants waren nur Kulissen, die hinter ihm vorbeigetragen wurden, aber er war der Mittelpunkt, die Sonne, um die sich das Universum drehte.“ (Umschlagtext)

Fußball ist ja nicht so meins. In wenigen Wochen wird aber mal wieder niemand drumherum kommen – WM sei Dank. Ich finde, das ist ein guter Anlass, sich literarisch darauf einzulassen, ohne deswegen gleich Abseitsregeln lernen zu müssen. 😉

„Ivo wusste immer schon, dass er besonders ist. Besonders cool, besonders talentiert, besonders attraktiv. Alle wussten es, seine Familie, seine Jugendtrainer, seine Freunde im Käfig. Jetzt ist er einer der bestbezahlten Fußballer der Welt. Er verdient 100.000 Euro in der Woche, fährt einen Bugatti, hat eine Ehefrau und zwei Kinder, die er über alles liebt. Doch als sein Jugendschwarm Mirna ins Spiel kommt, gerät das sichere Leben aus den Fugen und sein Weltbild ins Wanken. Wie koordiniert man eine Affäre, wenn man eigentlich keine Freizeit hat? Lasst Ivos Leistung auf dem Spielfeld nach? Und was macht eigentlich seine Frau, während er nicht da ist?“ (Klappentext)

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Samstag, 29. Oktober 2022

Mariana Enriquez: Unser Teil der Nacht


„Dunkelheit und Licht, Grausamkeit und Liebe. Eine große Familiensaga in einem von Extremen geprägten Land. Mariana Enriquez führt uns durch die verschlungene Geschichte Argentiniens, hin zu den Abgründen der Macht. Eine einzigartige Vater-Sohn-Geschichte, in der doch die Frauen alle Fäden in der Hand halten.“ (Umschlagtext)

Familiensaga, Südamerika, historische Kulisse und ein wenig Magisches, ganz realistisch – ich brauche ja oft echt nicht viel, um neugierig auf eine Geschichte zu werden. 😉

„Ein Vater und sein Sohn fahren quer durch Argentinien, als wären sie auf der Flucht. Wohin wollen sie? Vor wem fliehen sie? Es sind die Jahre der Militärjunta: Menschen verschwinden spurlos, überall lauert Gefahr. Juan versucht, seinen Sohn Gaspar vor dem Schicksal zu schützen, das ihm zugedacht ist, seit seine Mutter unter ungeklärten Umständen gestorben ist. Bei einem Unfall, der vielleicht keiner war.
Wie sein Vater soll Gaspar einem Geheimbund, genannt der Orden, als Medium dienen, der mit grausamen Ritualen dem Geheimnis des ewigen Lebens auf die Spur kommen will. Doch der Preis ist hoch und der körperliche und geistige Verfall schnell und unerbittlich, wie Juan weiß.
Unser Teil der Nacht ist eine Reise durch 40 Jahre argentinische Geschichte, auf den Spuren der Verführungen und Verbrechen der Macht. Eine große Geschichte, die Enriquez so poetisch, lakonisch und episch erzählt, dass sie noch lange nachhallt.“ (Klappentext)

(Übersetzung: Silke Kleemann/ Inka Marter)

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Samstag, 22. Oktober 2022

Shigeru Mizuki: Kitaro 1. Kitaros Geburt


„Der einäugige Yokai-Junge Kitaro kommt auf einem Friedhof zur Welt. Er ist ein Geisterwesen und der letzte Nachkomme seines Volkes. Kitaros toter Vater benutzt magische Kräfte, um als Augapfel lebendig zu werden und ihn bei seinen gruseligen Abenteuern zu begleiten.

Und so beginnt die spannende Reise der beiden, auf der sie sich mit dem Rattenmann, einem französischen Vampir und dem Ochsenteufel herumschlagen müssen – immer auf der Suche nach geheimnisvollen Begegnungen im Reich der Yokai.

Shigeru Mizuki ist der unumstrittene Meister japanischer Geister- und Monstergeschichten.“ (Umschlagtext)

Bei all dem Grusel und Horror, den die Schlagzeilen einem so regelmäßig bereiten, finde ich ganz bisschen gezielten Grusel, einfach nur zur Unterhaltung und Ablenkung, vollkommen legitim. Also los! 😉

(Übersetzung: Gandalf Bartholomäus)

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Sonntag, 16. Oktober 2022

Thomas Röthlisberger: Steine zählen


„‘Warum hast du auf Märta geschossen, Matti?‘, fragte Henrik im düsteren Flur.
Aus der Küche drang das Geräusch von splitterndem Glas. Henrik machte die zwei Schritte zurück und blieb in der Tür stehen. Nieminen hatte das Glas in der Faust zerdrückt. Sein Atem ging rasselnd. Am Fenster surrte die Fliege. Henrik wartete.
Der Alte blickte auf seine Faust. Blut und Schnaps tropften auf das Wachstuch. Henrik erwartete nicht, dass er eine Antwort erhalten würde.
‚Sie wollte weg‘, begann Nieminen plötzlich.
Er keuchte. Schwieg wieder.
‚Sie wollte weg‘, wiederholte her. ‚Warum muss man plötzlich weg, wenn man es vierzig Jahre und länger ausgehalten hat? Auf die paar Jahre, die uns bleiben, wäre es wohl nicht mehr angekommen.‘
Er hustete.
‚Ja‘, sagte Henrik. ‚Frauen gehen weg. Männer gehen weg. Was wissen wir.‘“ (Umschlagtext)

Eine Mordgeschichte, die vermutlich kein Krimi ist und in Finnland spielt – geschrieben von einem Schweizer Autor. Und wenn dann noch die beste Bücherfrau von allen sagt, dass ich das lesen muss, dann bin ich sofort dabei. 😊

„Südfinnland: Henrik Nyström, der lokale Polizeibeamte, fährt hinaus zu einer Bauernkate in der Nähe des Vehkajärvi-Sees. Bei der Polizeiwache ist ein Anruf eingegangen, der alte Matti Nieminen habe auf seine Frau Märta geschossen, die ihn nach vierzig Jahren Ehe habe verlassen wollen. Auch Olli, der Sohn der Nieminens, ist auf dem Weg zum Elternhaus, weil er wieder einmal in Goldnöten steckt und sich einen Zuschuss der Mutter erhofft. Als der Polizeibeamte auf dem Hof eintrifft, findet er den alten Matti auf dem Schotterplatz vor dem Haus in einer Blutlache liegend. Aber Nieminen ist nicht tot. Und die Schusswunde schein er sich selbst beigebracht zu haben. Was war hier vorgefallen? War Olli bereits hier gewesen, dem Nyström auf der Herfahrt begegnet war, oder hatte Atto die Finger im Spiel, der Schwager, den Matti tödlich hasst? Oder gar Pekka, der frühere Liebhaber von Märta, der seit Jahren als verschollen gilt?

Ein tiefgründiger Roman über das Menschliche und das Unmenschliche, die oft so nahe beieinanderliegen, dass die Grenze erst erkennbar wird, wenn es zu spät ist.“ (Klappentext)

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Freitag, 14. Oktober 2022

Vladimir Sorokin: Der Tag des Opritschniks


„Russland im Jahr 2027.

Das Land hat sich vom Westen abgeschottet und mit einer ‚Großen Russischen Mauer‘ umgeben. China ist der wichtigste Handelspartner, und die reichen Öl- und Gasreserven sichern die Macht des Alleinherrschers, des ‚Gossudaren‘. Und wie einst Iwan den Schrecklichen umgibt ihn eine Leibgarde, die ‚Opritschniki‘, die diesen Machtanspruch gegen jeden Widerstand durchsetzt.

Sorokins Romanvision aus dem Jahr 2006 ist eine schmerzhafte Satire, eine negative Utopie im Sinne von Huxley, Orwell und Burgess. Und das Erschreckende daran ist, dass sie – mit Blick auf das heutige Russland – so überaus realistisch erscheint.“  (Umschlagtext)

 

Passend und nicht ganz überraschend wurde der Roman 2022 wieder aufgelegt. Und ja, das ist der Blick eines russischen Autors auf Russland und keine politische Analyse der Genese des Ukrainekriegs. Ganz offensichtlich müssen wir uns aber mit Fragen auseinandersetzen, die zu verstehen suchen, warum und wie das Wiedererstarken all des Autoritären in der Welt möglich ist. Literatur kann da etwas.

 

“Russland im Jahr 2027. Das Land hat sich vom Westen abgeschottet, lebt allein vom Gas- und Ölexport, pflegt Handelskontakte nur noch mit China und wird vom ‚Gussodar‘, einem absoluten Alleinherrscher regiert. Und wie einst Iwan der Schreckliche übt dieser seine Macht mithilfe der Opritschniki, der ‚Auserwählten‘, aus: einer Leibgarde, die vor keiner Bestialität zurückschreckt und der beinahe alles erlaubt ist.

Die Opritschniki, die ‚Diener des Gossudar‘, sind in roten Limousinen unterwegs, mit Hundeköpfen an den Stoßstangen und Besen am Kofferraum – symbole dafür, dass jeglicher Widerstand ausgemerzt und von der russischen Erde gefegt wird. Zu dieser brutalen und korrupten Elite gehört auch Andrej. Seinen Arbeitstag beginnt er mit der Hinrichtung eines in Ungnade gefallenen Oligarchen, dann wohnt er der Auspeitschung von Intellektuellen bei, ist der liebestollen Gemahlin des Gossudar zu Diensten und beschließt den Tag mit einer dekadenten Orgie.

 

Eine hellsichtige und schmerzhafte Satire, die der russischen Gegenwart beunruhigend nahekommt.“ (Verlagstext)

 

(Übersetzung: Andreas Tretner)

 

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Mittwoch, 12. Oktober 2022

Kai Matthiesen/ Judith Muster/ Peter Laudenbach: Die Humanisierung der Organisation. Wie man dem Menschen gerecht wird, indem man den Großteil seines Wesens ignoriert


„‘Die individuelle Persönlichkeit erscheint somit als Auffangvorrichtung für organisatorisch ungelöste – vielleicht auch unlösbare – Probleme; oder anders formuliert: sie kann in gewissen Grenzen durch bessere Organisation entlastet werden.‘ Niklas Luhmann, 1966“ (Umschlagtext)

„Organisationen benötigen Organisationsmitglieder, keine Menschen.“ (Seite 9) Whaaat? Ich hab nur auf den ersten zwei Seiten reingelesen und will schon ganz viel zustimmen und widersprechen zugleich. Kurz: Ich will dieses Buch lesen! 😊

Dass dieser Band auch noch wirklich hübsch und gut aufgemacht daherkommt, was für Bücher in dem Bereich ja nun nicht zwingend vorausgesetzt werden kann, ist mal nur ein Punkt. Auf eine anvisierte Buchvorstellung in meiner zweiten Stube und Lieblingsbuchhandlung, die natürlich die beste mindestens von Berlin, wenn nicht überhaupt ist, freue ich mich mal so richtig. 😊

„Zu den Missverständnissen, die das Dasein in Unternehmen, Universitäten, Behörden, NGOs, Theatern, Schulen und anderen Organisationen unnötig schwer machen, gehört die Annahme, Kern und Kernproblem einer Organisation seien die Menschen, die in ihr arbeiten. Diese Unterstellung macht den Einzelnen zum Puffer, der genötigt wird, jedes Organisationsversagen aufzufangen - eine Aufgabe, an der man nur scheitern kann.
Statt das Verhalten des Einzelnen heroisch zu glorifizieren oder therapeutisch zu problematisieren, interessieren uns die Verhältnisse, in denen sich dieses Verhalten abspielt.
Die drei Autoren schlagen vor, den Blick stattdessen auf die Funktionslogiken der Organisation zu richten. Statt die Menschen mit Coachings und Identifikationsappellen zu bearbeiten, um sie an die Bedürfnisse der Organisation anzupassen, wäre es hilfreich, die Organisationsstrukturen an die Bedürfnisse ihrer Mitglieder und der Arbeitsabläufe anzupassen. Es geht also, mit den Worten des Soziologen Erving Goffman, "nicht um Menschen und ihre Situationen, sondern eher um Situationen und ihre Menschen".
Die Autoren verwenden zahlreiche Fallbeispiele aus ihrer beruflichen Praxis. Als Analyseinstrumentarium nutzen sie vor allem Niklas Luhmanns Organisationssoziologie.“ (Verlagstext)

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Sonntag, 9. Oktober 2022

Ray Loriga: Kapitulation


„Zehn Jahre sind seit dem Ausbruch des Krieges vergangen, und der Erzähler weiß noch immer nicht, wofür seine im Krieg verschollenen Söhne überhaupt gekämpft haben. Er und seine Frau bewirtschaften ihren Hof, bis angeordnet wird, dass alle Bewohner der Gegend in die neue Hauptstadt umziehen müssen.

Diese Stadt erscheint zunächst als wahres Paradies. Unter einer atemberaubenden Glaskuppel findet sich ein endloses Gewirr aus durchsichtigen Straßenzügen, Gebäuden, Geschäften. Für alles Lebensnotwendige ist gesorgt, und die Frau lebt sich schnell in ihr neues Leben ein. Doch der Mann findet keine Ruhe in dieser vollkommenen Transparenz, in der es weder Geheimnisse noch blickdichte Mauern gibt. Wer gegen die unausgesprochenen Regeln verstößt, muss mit den schlimmsten Konsequenzen rechnen. Wird der Erzähler am Ende kapitulieren, oder gelingt ihm die Flucht aus diesem Albtraum?“ (Umschlagtext)

Eine Zukunft unter einer gläsernen Kuppel, volle Transparenz und damit auch gläserne Bürger:innen – wie viel Platz haben in einer solchen Welt unbearbeitete Erinnerungen? Ich bin gespannt, wie dystopisch diese Geschichte ausfallen wird und freue mich schon aufs Schmökern. 😉

(Übersetzung: Alexander Dobler)

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Samstag, 8. Oktober 2022

Juan Díaz Canales/ Juanjo Guarnido: Blacksad 1. Irgendwo zwischen den Schatten


„Manchmal, wenn ich mein Büro betrete, kommt es mir vor, als wanderte ich durch die Ruinen einer untergegangenen Zivilisation. Nicht wegen der Unordnung, die dort herrscht, sondern weil es sehr den Überresten jenes zivilisierten Wesens ähnelt, das ich einmal war.“ (Umschlagtext)

Man kann ja nicht immer alles schon auch komplett gelesen haben, nicht wahr. Natürlich weiß ich von Blacksad seit langem. Es hatte sich nur noch nicht so richtig ergeben, dass ich diese Comicserie auch wirklich auf meinem Lesestapel einreihe und darin schmökere. Zum Glück gibt’s aber sowas wie Geburtstage und liebe Menschen, die dann einfach zum Beispiel sowas verschenken. Ich bin ein Glückspilz! 😉

„John Blacksad ist der Held dieser völlig neuartigen Geschichte. Schauplatz ist eine Großstadt, die große Ähnlichkeiten mit dem New York der 50er jahre hat. Bis auf einen kleinen Unterschied: Alle Wesen, die in dieser Stadt leben, sind Tiere. Und John Blacksad, der Privatdetektiv, ist ein schwarzer Kater mit weisser Schnauze... Die von Juan Diaz Canales als Thriller aufgebaute Geschichte wird von Juanjo Guarnido in aquarellierten Panels kunstvoll umgesetzt. Eine Technik, die er in den Disney Studios in Montreuil erlernte, wo er auch Règis Loisel kennen lernte. Canales und Guarnido leben heute in Madrid.“ (Verlagstext)

(Übersetzung: Harald Sachse)

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Donnerstag, 6. Oktober 2022

Fritz Breithaupt: Das narrative Gehirn. Was unsere Neuronen erzählen


„Warum verbringen wir so viel Zeit mit Geschichten? Und wieso lassen wir uns überhaupt auf das narrative Denken ein, sind geradezu süchtig danach? Gestützt auf allerneuste Forschungen, liefert Fritz Breithaupt eine bahnbrechende Neubestimmung des Menschen als narratives Lebewesen.“ (Umschlagtext)

Im Marketing und in anderen wirtschaftlichen Bereichen gilt Storytelling ja schon seit etlichen Jahren als das hippe Ding. Auch in Comicworkshops oder Kommunikationstrainings erlebe ich in letzter Zeit durchaus ein steigendes Interesse an dem Thema. Was liegt also näher, als nicht nur der Frage nachzugehen, wie Storytelling als Handwerk funktioniert, sondern auch warum gut gemachte Geschichten gut funktionieren. Here we go! 😉

„Wer in Geschichten verstrickt ist, lebt intensiver – ich erzähle, also bin ich. Doch nicht nur das eigene Leben wird als Narration prägnanter. Mittels Erzählungen gelingt es uns auch, die Erfahrungen eines einzelnen Menschen zu solchen von vielen anderen zu machen. Dazu müssen unsere Gehirne und die Weisen, wie wir Geschichten erzählen, aufeinander abgestimmt sein. Doch wie genau geschieht das? Fritz Breithaupts brillante Buch unternimmt eine Neubestimmung des Menschen als narratives Wesen, das sich durch Erzählungen in der Welt verankert.

Um dem Denken in Geschichten auf die Spur zu kommen, stützt Breithaupt sich ebenso auf die neuesten Einsichten der Hirnforschung und faszinierende Experimente mit Nacherzählungen im Stille-Post-Verfahren mit Tausenden von Versuchsteilnehmern wie auf die Analyse von Serien, Romanen, Grimm´schen Märchen und alltäglichem Büroklatsch. Narratives Denken, so zeigt sich, wird stets mit spezifischen Emotionen belohnt, und das heißt: Wir leben, wie wir leben, weil wir diesen Belohnungsmustern folgen. In Narrationen kann darüber hinaus aber auch immer alles anders kommen, und ebendies erlaubt uns den Aufbruch zu neuen Ufern.“ (Klappentext)

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Dienstag, 4. Oktober 2022

Sibylle Berg: RCE. #RemoteCodeExecution


„Eine Pause im Irrsinn.
Noch eine Anstrengung,
das Ausstehende zu verhindern,
in einer seltsamen Entschlossenheit vereint.
Es ist der letzte Versuch.“ (Umschlagtext)

GRM, der Vorgängerband, war grandios. Und jetzt will ich wissen, was noch kommt.

„Frau Berg regelt das!“ 😉

„Sibylle Bergs neuer Roman setzt da an, wo »GRM« endet – in unserer neoliberalen Absurdität, in der der Einzelne machtlos scheint. Der Kapitalismus ist alternativlos geworden. Das beste aller Systeme hat wenigen zu absurdem Reichtum verholfen und sehr vielen ein menschenwürdiges Dasein genommen. Die Krise ist der Normalzustand, Ausbeutung heißt nicht mehr »Kolonialismus« sondern »Förderung strukturschwacher Länder«. Inflation, Seuchen, Kriege, Diktatoren, Naturkatastrophen, Müllberge. Und die Menschheit vereint nur noch in ihrer Todessehnsucht. Die Lage scheint ausweglos. Aber in einem abhörsicheren Container brennt noch Licht. Fünf Hacker programmieren die Weltrettung.

Manchmal gibt es diese historischen Momente, in denen Mauern eingerissen werden, Frauen studieren und wählen dürfen, Rassismus nur noch in einigen Köpfen existiert, Geschlechter keine Rolle mehr spielen, in denen verschwindet, was Menschen für hundert Jahre für ein Naturgesetz hielten.“ (Verlagstext)

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Montag, 3. Oktober 2022

Domenico Müllensiefen: Aus unseren Feuern


„Sie sind jung, und sie heißen Heiko, Mandy, Jana oder Raik. Sie sind die Witzfiguren und die Arbeitstiere unserer Gesellschaft. Sie sind müde, sie sind wütend, sie rauchen. Doch sie leben jetzt. Aus ihren Feuern. – Ein grandioser Arbeiter- und Nachwenderoman über drei Freunde, die ihre Herkunft nicht als Schicksal hinnehmen wollen. Hart und zart, in der Tradition von Wolfgang Hilbig und Clemens Meyer geschrieben.“ (Umschlagtext)

Das klingt doch nach einem hinreichend nachdenklich stimmenden Lesestoff für den Tag der deutschen Einheit, oder?

Nach verschiedensten Texten rund um Ostdeutschland, die Wende- und die Transformationzeit und die Menschen gibt’s eigentlich nur die Möglichkeit, dass dieser Roman echt gut ist – oder eben so gar nicht. Ich hoffe auf das Erste. 😊

„Bevor Heiko, Thomas und Karsten vor Langeweile sterben, legen sie lieber Feuer. Und sie träumen davon, mit einem Mädchen zu schlafen. Der eine soll den elterlichen Schlachthof übernehmen, der andere will nach Amerika auswandern. Der Dritte, Heiko, muss in dunklen Tunneln Kabel verlegen und saufen lernen. Als er Jana trifft verliebt er sich in sie. Doch Jana hütet ein Geheimnis, das er zu spät lüften kann. Das Glück kommt einfach nicht näher, Heiko wird Bestatter. Eines Tages wird er an eine Unfallstelle gerufen und dann fängt seine Geschichte noch einmal von vorn an.“ (Klappentext)

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Samstag, 1. Oktober 2022

Luz/ Virginie Despentes: Vernon Subutex. Teil Eins


„Bevor die Nachricht dort explodiert, bleibt sie in seinem Kopf hängen wie ein alter Diamant in der Rille einer zerkratzten Vinylplatte. Alex Bleach, sein Kumpel, der vom eigenen Erfolg überrollt worden war, ist tot.

Für Vernon Subutex stellt sich eine ganz pragmatische Frage: Wer zahlt jetzt seine Miete?

Ein grandioses Sittengemälde unserer Zeit: Pointiert, ätzend und sensibel zugleich arbeiten sich Virginie Despentes und Luz an den aktuellen gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Umwälzungen ab und schaffen einen energiegeladenen Comic, der Virginie Despentes´ Romanen substanziell Neues abgewinnt.“ (Umschlagtext)

Beim Comic-Salon in Erlangen konnte ich ja noch daran vorbeigehen – bei den „Kleinen Verlagen am großen Wannsee“ im LCB dann nicht mehr. 😊 Und nun die große Preisfrage: Erst die Romane fertiglesen oder nicht? 😉

(Übersetzung: Claudia Steinitz, Lilian Pithan)

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